Herzlich willkommen!

Freunde Namibias

Mit dem Pfadfinderspiel hat alles angefangen ...

Tagebuch des Vorbereitungsteams

verfasst von Monika Heinrich

 4. Januar 2002

 05:45 Uhr Das Vorbereitungsteam (AG, KS, GB, BH und MH) und EG sind am Windhoeker internationalen Flughafen Hosea Kutako und warten auf die ersten beiden Pfadis und Schutztruppler Stucki alias Fritz Grossmann und HD alias Bruno Lassmann. Mit derselben Maschine sollen auch Wilfried und Ulrike/WL und UL ankommen, die uns als VT verstärken.

06:15 Uhr Pünktlich landet die Maschine aus Deutschland. Sofort huschen wir in unser Auto, das wir nahe der Ausfahrt geparkt haben, und riskieren fortan nur das ein oder andere Auge. Nach ungeduldiger Warterei sehen wir Stucki und HD auftauchen. Sie kommen mit Petra Daimat von Africar zu ihrem VW-Bus und nehmen ihn in Empfang. Dann kommen Wilfried und Ulrike und erzählen, dass Stuckis Outfit schon in Frankfurt und nun in Windhoek für Aufsehen gesorgt habe. Es sei ein Raunen durch die Reihen der Wartenden in der Ankunftshalle gegangen. Da die beiden noch auf die „Jo-Burger“ Karl Hartmann und Jacob Basendowski warten müssen, können wir, nun mit zwei Autos, nach Windhoek losfahren.

07:30 Uhr Abfahrt ins Kalahari Sands: Tradition! Letzte Lagebesprechung bei der obligatorischen Tasse Kaffee/Tee. Letzte Einkäufe: Pfeffis etc. Mit Elmar wird vereinbart, dass er sich noch vom Eros-Flughafen bei uns per Handy meldet oder auf die Mail-Box spricht, ob die Gruppe pünktlich = ca 13:00 Uhr vom Eros-Flughafen starten kann, da sonst der ganze Zeitplan ins Wanken gerät und andere Maßnahmen getroffen werden müssten. Die beiden Legats kleiden sich derweil „namibiagerecht“ bei Safari-Holtz ein.

10:00 Uhr Nun trennen sich unsere Wege: Elmar wird als Gefreiter der Reserve Franz Becker mit dem Taxi zum Eros-Flughafen fahren und so tun, als sei er über Moskau aus Harare um 10:00 Uhr dort gelandet, wo er gegen 11:00 Uhr von den anderen Pfadis abgeholt werden soll. Wir anderen machen uns auf dem schnellsten Weg nach Swakopmund auf, denn dort gibt es noch allerhand zu überprüfen und in die Wege zu leiten. Soll unser für diesen Tag sehr enger Zeitplan klappen, sollten die „Jo-Burger“ jetzt auf Hosea Kutako gelandet sein.

12:30 Uhr Ankunft aus London über Kapstadt am Eros-Flughafen: Albert Lier alias Ferdi und Richard Lemke alias Axel.

12:30 Uhr Wir machen eine Pause im „Kaffee“-Shop in Usakos und hoffen, dass bei den Pfadis alles nach Plan läuft.

13:00 Uhr Anruf von Elmar von der Toilette aus, dass alles wie geschmiert klappe. Der Abfahrt ins große Abenteuer stehe nichts mehr im Wege. Wir fahren um 13:15 Uhr wieder weiter, nachdem wir die guten Nachrichten noch gebührend gewürdigt haben.

14:30 Uhr Ankunft in Nonidas; Schock: Es kann um 21:00 Uhr kein Abendessen für die Pfadis geben. Lange Gesichter, heiße Diskussionen, Überredung des ehemals „blonden Negers“; Fazit: Seine Chefin kommt am Abend doch und kocht für die hungrigen Scouts. Bernd, Andrea und der „Hotelmanager“ hissen noch die Pfadfinderflagge. Nochmalige Wiederholung der wichtigsten Dinge: Absolutes Schweigen auf alle Fragen nach den Urhebern, morgen Frühstück, am nächsten Tag Frühstück und Lunchpaket, Bezahlung bei Abholung der Flagge morgen früh. Besonders wichtig: Beleuchtung der Burg heute Abend!

15:05 Uhr Fahrt zur Beach Lodge, unserer Bleibe, sehr malerisch direkt am Atlantik gelegen. Möglichkeit zum Ausruhen vor der großen Feuertaufe am Abend.

16:30 Uhr Abfahrt zur Inszenierung in der Mondlandschaft; alle sind schrecklich aufgeregt!

17:15 Uhr Wir legen den Brief vor der Tür des betreffenden  „1903“-Häuschens unter einen Stein. Der Brief muss aber vorher noch auf alt getrimmt werden. Auch muss noch ein großer Steinpfeil gelegt werden, der den Ankömmlingen die Richtung weist. Die Spannung ist schon ziemlich groß, denn es könnte ja sein, dass die Pfadis gleich um die Ecke biegen, wenn sie wie die Verrückten gejagt sind usw. Die unmöglichsten Spekulationen geistern durch unsere Köpfe. Also: Nichts wie weg!

17:30 Uhr Kontrolle des schon vor Tagen gelegten Steinkreises = Pfadfindersymbol mit der Bedeutung: „Du bist am Ziel“. Ein weiterer Steinpfeil soll den Weg weisen, denn die Pfadis müssen ab sofort zu Fuß gehen.

17:45 Uhr Am Verkehrsschild wird der letzte Hinweis deponiert. Eine Haltelinie und ein Stoppgebot sollen die Pfadis daran hindern, weiter zu gehen.

18:00 Uhr Ankunft auf dem „Gipfel“; Theaterprobe mit uns an Stelle der Pfadis ist perfekt; während der Wartezeit trauen wir uns schon bald nicht mehr aus unserem Auto/Versteck hinter dem Hügel; plötzlich rast die Zeit. Es ist schon 19:00 Uhr. Was soll werden, wenn die Pfadis nicht da sind? Wir sind schließlich seit über sieben Stunden ohne Nachricht! Gleich werden wir’s wissen. Bernd setzt die Maske auf und beginnt um 

19:30 Uhr seinen Auftritt. Wir können alles nur von hinten beobachten, aber da er weiter geht und zu sprechen anfängt, müssen die Pfadis wohl unten stehen. Leider trägt der Wind die Worte nicht zu uns. Schade! Trotzdem gestaltet sich der Auftritt für uns sehr eindrucksvoll. (Später erfahren wir von den Pfadis, der Auftritt sei filmreif inszeniert gewesen). Er hebt Ruhe gebietend die linke Hand: „Willkommen im deutschen Pfadfinderschutzgebiet. Ich begrüße ...“ dann folgen die Namen und Dienstgrade der sieben tapferen Soldaten. Sein anschließender Rückzug ist sehr eindrucksvoll, selbst für uns, die wir ihn nur von hinten erleben können.

19:35 Uhr Bernd reißt sich die Maske vom Kopf und unsere „Flucht“ ins Brauhaus beginnt. Wie gern würden wir jetzt bei den Pfadis Mäuschen spielen!

20:10 Uhr Teil I des VTs bestellt sich im Brauhaus Essen, da Ulrike und Wilfried ja schon bald wieder aufbrechen müssen, um die Pfadis beim Essen zu stören. Ulrike soll ihnen die nächste Message überbringen.

20:10 Uhr Teil II des VTs macht Kontrolle im TUG und übergibt den Brief, den am nächsten Tag der Kellner Punkt 19:00 Uhr dem Uffz. Grossmann zu überreichen hat.

20:15 Uhr Wir sind nun komplett im Brauhaus versammelt und bestellen fast uni sono 5 Mal Sülze mit Bratkartoffeln („Die beste Sülze, die ich je gegessen habe“, sagt Drea später). Nur Kathi und ich müssen sich mit Gemüsegratin begnügen, da wir Magenprobleme haben. Woher die wohl kommen? Alle trinken Bier. Wie das zischt!

21:10 Uhr VT I bricht auf zum Unternehmen Nonidas.

21:10 Uhr VT II zahlt noch (Zahlobert!) und jagt dann den anderen nach zur erleuchteten Zollstation. Es ist wirklich ein erhebender Anblick, wie die Burg mitten im Nichts steht. Dass das Nichts die Wüste ist, kann man abends nicht sehen. Wie werden die Pfadis wohl morgen staunen!

21:25 Uhr Ulrike übergibt den Brief. Alles klappt perfekt. Leider kann sie die Pfadis nicht beim Essen stören, wie wir es eigentlich geplant hatten. Die Männer hatten solchen Hunger, dass sie schon alles ratzeputz aufgegessen hatten! Stichwort: The table was clean!

21:45 Uhr Erleichtert treffen wir uns in Heinrichs Zimmer zu einem erneuten und den Tag abschließenden Brainstorming. Wir sind uns alle einig: Der heutige Tag war wahnsinnig aufregend, aber auch sehr bewegend. Wir freuen uns schon auf die nächsten Tage, an denen wir den Pfadis immer eine Station/einen Tag voraus sein werden. Da haben wir etwas mehr Zeit für Entscheidungen und Vorbereitungen. Aber morgen wird’s zu Anfang noch etwas turbulent.

5. Januar 2002

08:10 Uhr Das Vorbereitungsteam geht getrennte Wege: Drea, Kathi, Wilfried und Ulrike brechen auf zur Apotheke, um den Pfadis den nächsten Brief zu überreichen.

Wir anderen fahren zu Burg Nonidas, um unsere Flagge abzunehmen, die „Schulden“ zu bezahlen und noch einmal die verbleibenden Programmpunkte zu besprechen. 

08:58 Uhr Drea übergibt ihren Brief in perfektem Englisch an Stucki: „Mr Grossmann, I have a letter for you. Good luck!“ Sie hatte die Pfadis schon eine halbe Stunde lang um besagte Apotheke herumtigern sehen, aus ihrem sicheren Versteck heraus. Während des Auftritts wartet Kathi im Versteck, um Drea bei Bedarf beim Rückzug zu helfen. Wilfried und Ulrike warten derweil im Wagen, immer darauf gefasst, mit quietschenden Reifen einen Kavaliersstart hinzulegen, wenn nötig. Aber alles geht gut.

Bernd, Gaby und ich holen inzwischen in Nonidas einen Bericht ein. Der verblüffte Hotelmanager erzählt uns mit großen Augen und leuchtendem Blick, dass den Pfadis die Mahlzeiten sehr gut schmecken, denn: „After dinner the table was clean“, lacht der Blonde und fährt fort: „After breakfast the table was also clean“. Er hat einen Mordsspaß dabei. Die Handbewegung, die das Ganze unterstreicht, sieht verdächtig nach tabula rasa aus. Sehr gut! Wir hatten in Nonidas schon anderes erlebt. Wir zahlen 7 x Abendessen, 26 x Lager-Bier und 7 Lunchpakete mit 1000 Namibia-Dollar; darin enthalten sind 74 Dollar Trinkgeld, die ein breites Freudengrinsen hervorrufen.

Die Übernachtungen hatten wir bereits vorab gezahlt.

Beim Flaggeeinholen wollen Gaby und ich tapfer sein und auch eine Turmbesteigung wagen, aber uns wird schon vorzeitig schwindelig und so nehmen wir vernünftigerweise Abstand von diesem luftigen Vergnügen. 

09:35 Uhr VT ist komplett an der Straßenkreuzung nach Hentiesbaai. Wir sind froh, dass alles wie geschmiert läuft, sind aber wachsam. Nicht auszudenken, wenn plötzlich der VW der Pfadis angerauscht käme! Aber wir haben ja extra eine Erkennungsmarke in die Mitte der Frontscheibe geklebt. Wir tanken noch und kaufen Wasser,.

09:45 Uhr denn jetzt geht’s ab durch die Wüste zu Rudi über die C 34 und C 35.

12:45 Uhr Pause in Uis Mine: Wir trinken Rock Shandy und essen heiße Sandwiches und haben unseren Spaß an dem heruntergekommenen Etablissement. Vor dem Haus sehen wir einen sausage-tree, wie uns der „Empfangschef erklärt. Dieser Baum stammt aus Südafrika und seine Früchte sehen wirklich wie dicke Würste (oder so) aus. Der Sage nach heißt es, Frauen, die unter diesem Baum stehen, würden unfruchtbar. Da sind wir Frauen aber gesprungen!

13:30 Uhr Weiterfahrt zu Rudi

16:00 Uhr Ankunft bei Rudi, vorher waren wir aber noch in Khorixas beim Tanken und Geldholen.

17:15 Uhr Besichtigung der Polizeistation ohne Wilfried und Ulrike; die beiden wollen lieber zur Abkühlung in den Pool. Ernsts sind freundliche Leute und sehr hilfsbereit. Wir sind skeptisch ob der Ursprünglichkeit des Terrains und der vielen großen und kleinen Viecher! Vom Turm der Station aus hat man einen grandiosen Blick über das gesamte Umland, aber – manchen ist der Aufstieg zu riskant.

19:30 Uhr Abendessen bei Rudi; die beiden Kleinen schlafen schon; beim Fröschlein (Baby) ist es sowieso kein Wunder und Mark hat sich beim Besuch der Station und beim Sandspiel mit mir so verausgabt, dass er todmüde ist. Da es Regenzeit ist, droht ein Gewitter am Horizont, auch einige Blitze zucken, aber – es fällt kein Regen. Uns soll’s recht sein! 

22:30 Uhr Bettruhe! Drea schläft diesmal mit Kathi im Hochzeitsbungalow, so dass Gaby ein Einzelzimmer hat. Wir sind alle hundemüde!

6. Januar 2002

08:30 Uhr Frühstück, obwohl 9 Uhr ausgemacht war. Aber es hält bei diesem Abenteuer niemanden länger als nötig im Bett! 

09:30 Uhr Besuch bei den Cheetas und Fütterung derselben. Da Mark das Gehege nicht betreten darf, bleibe ich bei ihm und spiele mit ihm „Tennis“. Die Cheetas ihrerseits würden gern mit Mark spielen. Da er so schön klein ist und sich schnell bewegt, gäbe er ein ideales Spielzeug für die beiden Raubtiere ab.

10:30 Uhr Abfahrt nach Outjo; Mark will mich nicht fahren lassen, aber die Aussicht auf baldiges Wiedersehen versöhnt ihn schnell.

11:15 Uhr Großeinkauf im Supermarkt, schließlich wollen wir in zwei Tagen ein großes Baden-Powell-und-Lady-Olave-Fest begehen. Aber unsere wichtigste Errungenschaft sind Samen für Squashes. Wir kaufen die sieben Tütchen, die da sind.

13:45 Uhr Ankunft in Okaukuejo; an der Rezeption Kontrolle der Buchungsnummer für die Pfadi-Übernachtung mit der Bitte um Diskretion, wenn jemand fragen sollte.

Auf dem Weg vom Tor des Etosha-Parks zum Camp haben wir schon jede Menge Tiere gesehen; sogar „alte Hasen“ wie Bernd, Drea und ich sind begeistert von Giraffen, Straußen, Oryxen, Springböcken und Zebras. Und die „Neulinge“ erst! Sie kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zu einem späteren Zeitpunkt der Reise sind nur noch seltene Tiere interessant, weil man sich an den fast ständigen Anblick des „gemeinen Tiervolkes“ schon gewöhnt hat.

15:00 Uhr Aufbruch zur „Westroute“, die per Message, überreicht von Herrn Ernst, für die Pfadis vorgeschrieben wird. Die ganze Zeit über droht ein Gewitter, aber es lässt sich zum Glück Zeit. Später verflüchtigt es sich vollständig. Wir sehen viele Tiere: Springböcke, Zebras, Strauße, Oryxe, Gnus, Giraffen, einen Waran, Erdhörnchen und verschiedene Vögel.

17:30 Uhr Rückkehr. Andrea und Kathi gehen im campeigenen Pool schwimmen.

9:15 Uhr Abendessen mit anschließendem „Absacker“ an der Bar.

21:30 Uhr Der absolute Höhepunkt des Tages: Wir sehen am Wasserloch neun Löwen, d. h. zwei oder drei Weibchen mit ihren Jungen; es sind auch noch drei Rhinos da. Die drei Giraffen, Eltern mit Kind, sind ängstlich und spüren die Gefahr, die von den Löwinnen ausgeht. Unter den Zuschauern wird ein baldiger Angriff der Löwinnen auf das Giraffenjunge erwartet. Aber entweder schirmen die Eltern ihr Kleines zu gut ab oder etwas anderes passt den Löwendamen nicht, jedenfalls greifen sie nicht an. Ich bin froh, als die Giraffen endlich abziehen, ohne am Wasserloch getrunken zu haben. Dabei wäre es ein lustiger Anblick gewesen, die Giraffen trinken zu sehen, da sie ganz akrobatisch in den Knien einknicken und sich dann zum Wasserspiegel niederbeugen. Aber diese geschwächte Position hätten die Löwinnen bestimmt ausgenutzt.

2:30 Uhr ungefähr gehen wir in unsere Bungalows, denn morgen ist auch noch ein Tag. Langsam rückt der Tag unserer Bewährung näher. Da wir keine Nachricht von Elmar haben, machen wir uns natürlich Sorgen, ob alles reibungslos verläuft.

7. Januar 2002

7:45 Uhr Frühstück und Besprechung des letzten Tages vor dem großen Ereignis

10:oo Uhr Aufbruch nach Namutoni über die Route: Gemsbockflakte, Olifantsbad und Aus

 In Gemsbockflakte sehen wir zwei Strauße (Vater und Mutter) mit zehn Kleinen, viele Streifengnus, darunter einen verrückten, der die anderen nicht in Ruhe lässt, und natürlich wieder Zebras, Springböcke und Oryxe.

 In Olifantsbad sehen wir – nichts! Schade!

 Dafür werden wir in Aus mit einer Herde von mindestens 20 Elefanten belohnt; später kommt noch eine zweite Herde dazu, die ebenfalls mindestens so viele Mitglieder hat. Außerdem sehen wir ein großes Tier und identifizieren es anhand einer Übersichtstafel als Eland. Von einem Nachbarauto aus werden wir auf einen Baum aufmerksam gemacht, unter dem drei Löwinnen liegen. Sie sind mit dem bloßen Auge fast nicht zu erkennen. Wie gut, dass es Ferngläser gibt!

13:00 Uhr Mittagspause in Halali mit Rock Shandy, aber ohne Essen. Wir entwickeln uns noch zu wahren Hungerkünstlern, aber bei der Hitze ist Flüssigkeit sowieso das allerwichtigste. Ein Bub hat offensichtlich einen Sonnenstich und wird von den dazugehörigen Frauen (Mutter, Oma, Tante?) „behandelt“. Da die Frauen alle einen unfreundlichen Eindruck machen, mischen wir uns nicht ein. Schließlich kommen sie selbst auf die Idee, den Buben im Schatten zu lagern und ihm zu trinken zu geben.

13:30 Uhr Weiterfahrt nach Sueda und Salvadore, aber dort waren keine Tiere zu sehen. Wir wollten doch so gern noch einige Raubtiere entdecken.

15:00 Uhr Eintreffen am Fort Namutoni; Gespräch mit Gertrud, einer Bekannten von Rudi, wegen morgen. Da ihr Chef nicht da sei, könnten wir die Flaggenfrage erst am 08.01. klären. Sie macht uns das Angebot, auch im Fort zu übernachten, aber das ist uns zu riskant. Wir beziehen lieber unsere Bungalows, wo wir uns ganz unauffällig „verstecken“ können.

16:00 Uhr Diskussionsrunde mit Stellprobe. Es ergeben sich geringfügige Änderungen im Programm, das insgesamt doch eine halbe Stunde dauert.

18:00 Uhr Ende der Generalprobe. Alle sind zufrieden mit deren Verlauf, und deshalb trinken wir noch jeder eine Dose Cola.

18:00 Uhr Duschen usw.

18:30 Uhr Abendessen: Alle haben einen Bären- oder (soll ich sagen Raubtier-) –hunger.

20:30 Uhr Gemütliches Beisammensein an der Bar. Dazu gehört natürlich, dass die Raucher eine oder zwei oder drei .... qualmen.

21:30 Uhr Bettruhe (denn an der Bar gibt’s nichts mehr, so streng sind hier die Sitten hier). Heute gehen wir nicht ans Wasserloch, denn es wird gerade renoviert und außerdem sind wir hundemüde! Ich habe nicht gefragt, wie die anderen in dieser Nacht geschlafen haben. Ich jedenfalls hatte keine ruhige Nacht!

8. Januar 2002 – Der Tag der Wahrheit

07:45 Uhr Frühstück; obwohl wir heute nur noch einmal die Organisation durchgehen müssen und alles noch ein letztes Mal durchsprechen müssen, hält es keinen von uns lang im Bett. Wir sind zu aufgeregt und die Nerven liegen (fast) blank.

9:30 Uhr Endgültige Klärung der Zimmerfrage, des Flaggenproblems und der Turmschließung.

Zimmerfrage: Wir bleiben in den Bungalows und ziehen nicht ins Fort. Die Vorteile wären zwar überwältigend, da wir das ganze Fort für uns allein hätten und nach der „Entdeckung“ in aller Ruhe feiern könnten. Aber vernünftigerweise muss man zugeben, dass ein stressfreies Vorbereiten der Aktion nicht möglich wäre, da eine vorzeitige Entdeckung unserer Identität durch die Pfadis nicht auszuschließen wäre.

Flaggenproblem: Da das Fort ein Nationalmonument ist, ist das Hissen unserer Flagge erst nach der Abnahme der namibischen Nationalflagge nach Sonnenuntergang möglich. Das ist aber für uns zu spät, denn wir wollen die DPSG-Flagge schon am Nachmittag vom Turm wehen lassen. Das Angebot, die DPSG-Flagge gegenüber der Rezeption zu hissen, verwerfen wir gleich, denn die Flagge soll am Ort des Geschehens hängen. Schweren Herzens geben wir unsere Flagge an der Rezeption ab. Uns wird versprochen, dass sie direkt nach Sonnenuntergang gehisst wird.

Turmschließung: Von 20:00 bis 21:00 Uhr lässt die Security niemanden auf den Turm.

Da wir den Brief vergessen, der den Pfadis beim Eintreffen an der Rezeption überreicht werden soll, müssen wir noch einmal ins Büro. Ja, ja, was man nicht im Kopf hat ...

10:00 Uhr Ohne Legats, die sich ihren freien Tag nehmen, brechen wir anderen zu einer kleinen Tour um fisher’s pan auf. Wir sehen viele „neue“ Tiere, u.a. ein junges Springböcklein, ein junges Gnu noch mit Nabelschnur, einen jungen Schabrackenschakal, viele Flamingos, einen Paradieskranich und viele andere Vögel, die wir nicht genau zuordnen können. Selbstverständlich begegnen uns jede Menge „alter“ Tiere, darunter besonders schöne Giraffen.

12:00 Uhr Rückkehr vom Ausflug

13:00 Uhr Letzte Einkäufe. Unser Brot ist voller Ameisen und zum Teil schimmelig, also brauchen wir frisches. Und selbstverständlich brauchen wir jede Menge Bierflaschen, die später sämtliche Kühlschränke der einzelnen Bungalows füllen. Verabredung für 15:30 Uhr in Dreas Bungalow, wo abends auch die Feier stattfinden soll.

14:00 Uhr Auf Bernds Handy geht ein unbekannter Anruf ein. Leider wird weder etwas gesagt noch eine Nachricht hinterlassen. Eigentlich wollen wir etwas ausruhen, aber  wir sind ruhelos!

14:30 Uhr Vor unserem Bungalow werden die Wege „großgeputzt“, also ist an Ausruhen sowieso nicht zu denken. Aus lauter Verzweiflung unternehme ich eine Schminkprobe (schließlich müssen Gaby und ich pechschwarz werden) und bin mit dem Ergebnis zufrieden.

15:30 Uhr Obwohl die Pfadis unmöglich schon im Gelände sein können, wenn sie sich an die Anweisungen gehalten haben, schleichen Bernd und ich wie zwei Diebe zum Bungalow von Drea, Kathi und Gaby. Legats nehmen an der anschließenden Fackelprobe nicht teil. Wir füllen die Fackeln mit Petroleum und üben das An- und Ausmachen. Alles klappt. Wenn wir am Nachmittag gewusst hätten, was für ein starker Wind am Abend herrschen würde, wären wir wohl nicht so zufrieden gewesen. Nach der allerletzten Besprechung für den Abend huschen Bernd und ich zurück in unser Reich.

7:00 Uhr Turbanprobe. Da bei unseren Kleidern (meins sieht aus wie das einer schwangeren Hererofrau) ein Tuch für einen Kopfschmuck dabei ist, versucht sich Bernd erfolgreich als Turbanbinder. Ich finde mein Aussehen allerdings beknackt, aber wen stört das schon?

17:30 Uhr Ab diesem Zeitpunkt sitzt Bernd hinter unserer Gardine verborgen und überwacht mit seinem Fernrohr das Terrain. Wir denken nämlich, dass die Pfadis so langsam eingetroffen sein könnten und dann irgendwo auftauchen könnten. Und richtig, Punkt

18:03 Uhr hat Bernd plötzlich HD und Ferdi im Visier. Es sieht so aus, als kämen sie direkt auf unseren Bungalow zu, aber sie suchen offensichtlich nur die Gastronomie. Nach einigen Minuten kommen sie wieder zurück, sie wissen wohl immer noch nicht, dass in den staatlichen Camps strenge Öffnungszeiten in der Gastronomie herrschen. Nun rast die Zeit und plötzlich ist es kurz vor 

19:00 Uhr Mit allen Utensilien schleichen wir in den konspirativen Bungalow. Unsere Kleider sind ja lang genug, also brauchen wir nur dunkle Socken. Aber unsere Arme müssen schwarz sein. Gaby bekommt schwarze Kompressionskniestrümpfe über die Arme. Die Füßlinge sind so groß, dass sie damit sogar greifen kann. Ich ziehe einen langärmeligen anthrazitfarbenen Pullover von Bernd an, dessen Ärmel bis über meine Hände reichen, so dass auch ich dunkle Greifer habe. Mit den Kleidern sehen wir schon ganz putzig aus. Kicher! Kopfschmuck und schwarze Farbe im Gesicht und am Hals vervollständigen unsere Outfit. Na ja, bei Dunkelheit wird’s schon gehen. Nun sind Gaby unsd ich zwar schwarz, aber uns ist auch schrecklich heiß. Und man muss höllisch aufpassen, dass man nirgends mit der schwarzen Farbe anstößt. Ich habe natürlich so schnell, wie eigentlich niemand schauen kann, mein Kleid eingedreckt. Da es aber aus einer Viskosemischung besteht, sind die Flecken schnell herausgewaschen, und Wasser trocknet ja! Kathi, Ulrike und Wilfried tragen schmucke Safari Kleidung, Drea die Pfadi-Sachen aus Elmars Jugendzeit. Bernd trägt auch Kluft und hält seine Maske bereit.

19:30 Uhr Langsam gehen wir los. Die Pfadis müssen laut Anweisung nun in ihren Zimmern sein und uns dürfte eigentlich niemand sehen. Die anderen Besucher im Gelände schauen etwas sparsam, als sie unsere bunte Schar entdecken. Aber wir kümmern uns nicht darum. 

Hinter einer Ecke des Forts verborgen warten wir, bis es dunkel wird. Wir sind schrecklich aufgeregt, vor allen, als wir sehen, dass es sich einige Touristen oben auf dem Turm gemütlich gemacht haben. Ulrike besticht den Security-Dienst ( mit Charme und mit Geld) und schon müssen die maulenden Touris den Turm verlassen. 

Als Drea, Gaby und ich in unseren Verkleidungen an dem Securityman vorbei auf den Turm huschen, bekreuzigt er sich. Wahrscheinlich denkt er, er habe es mit Geistern oder Verrückten zu tun. Oben auf dem Turm sehen wir, dass die DPSG-Flagge an einem dicken Baumstamm durch die Zinnen gesteckt worden ist und nun lustig im Wind flattert. Ja, der Wind! Den hatten wir natürlich nicht einrechnen könne. Unsere Fackeln gehen ständig aus, bis wir eine Haltung gefunden haben, mit der wir dem Wind trotzen. Nun sieht man den Boden fast nicht mehr, was aber gefährlich ist, da wir ja die nacheinander heraufkommenden Pfadis um den Baumstamm herum zu ihren Plätzen geleiten müssen. Außerdem müssen wir eine andere Ecke als ausgemacht für Drea aussuchen, die mit dem Rücken zum Geschehen steht und in die weite Ferne blickt.

Da der Wind einen fürchterlichen Lärm macht, hören wir nicht, dass unten im Fort das Schauspiel begonnen hat, und sind ein wenig überrascht, als der erste Pfadi auftaucht: Stucki. Nach und nach kommen alle Pfadis nach oben. Es herrscht eine Anspannung, die fast nicht zu überbieten ist. Wir hatten gedacht, dass mancher uns an unseren Stimmen erkennen würde, aber keine Reaktion. Unsere Verkleidung ist also wirklich so absurd, dass niemand Gaby und mich darunter vermuten würde. Nach den Pfadis vervollständigen Wilfried, Ulrike und Kathi die Szenerie oben auf dem Turm.

Und alle warten auf Lord Robert. Der kommt doch tatsächlich die Treppe heraufgestampft. Es hört sich gespenstisch an. Da taucht er auch schon auf und entbietet nacheinander allen Pfadis den Pfadfindergruß. Dann stellt er sich neben Andrea. Erst jetzt dreht sie sich um und spricht, während Bernd in Zeitlupe die Maske abzieht, die folgenschweren Worte: The name of my husband ist ...Elmar Giemulla. Jetzt bricht ein unbeschreiblicher Jubel los! Händeschütteln, Umarmungen, langsames Erkennen und Begreifen, es ist einfach herrlich!

 Nach einiger Zeit fällt Axel ein, dass diese denkwürdige Enthüllung dringend gefilmt gehört. Also wird das Wichtigste nachgestellt und –gespielt. Und dann wird endlich gefeiert. Der Abend wird ziemlich lang, das kann man sich denken.

 Hier endet das Tagebuch des Vorbereitungsteams! Es war ein schönes und spannendes Spiel! Eigentlich schade.

 

 

 

 Das Spiel.....................................

Die Reise zu sich selbst

von Elmar Giemulla

 1.. Prolog

Wir haben vieles gemeinsam erlebt. Es waren wunderbare Jahre. Der Enge des Elternhauses für ein paar Stunden oder gar Wochen zu entfliehen, die dumpfen Pflichten der Schule für einige Augenblicke zu vergessen: das war es! Dabei haben wir es uns beileibe nicht leicht gemacht. Die dauernden Vorbereitungen auf irgendwelche Projekte, der Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Gruppen. Wir waren immer beschäftigt - und immer war es spannend.

Und wenn ich mich heute frage, was mich geprägt hat, warum ich so bin wie ich bin, ist die Antwort: Genau das. Sich auf Dinge einzulassen, von denen man nicht weiß, wie sie ausgehen und was man davon hat, Rückschläge als notwendige Zwischenschritte auf dem Weg nach vorn zu begreifen, trotz allem die Laune zu behalten – das kann man auf keiner Schule lernen, das können einem die Eltern nicht vermitteln.

Mit 50 Jahren beginne ich zu ahnen, wie prägend die Pfadfinderzeit für mich gewesen ist, und ich beginne, dankbar zu sein. Dankbar dafür, dass es so etwas gab – dass „Lord Robert Baden Powell of Gilwell“ die Bewegung gegründet hat - und dass die Bewegung zur Zeit meiner Kindheit und Jugend noch nicht untergegangen war.

Ich denke zurück an Ferdi, den stets rastlosen und zu jedem Abenteuer Bereiten; an H.-D. (Heinz-Dieter), der sich immer so lange prügelte, bis es einen Grund gab, erste Hilfe zu leisten (er ist heute Rettungsassistent); an Jürgen, der die Sterne besser kannte als die Region; an Mike, der seine antibürgerliche Lebensweise auch im Berufsleben weitergepflegt hat (der typische Mathelehrer); an Josti, der auch heute noch fast seine gesamte Freizeit auf dem Fahrrad verbringt; an den lebenslustigen Fitti; an den sich so cool gebenden und im entscheidenden Augenblick doch emotional so engagierten Axel; an Wolfgang, dem alles immer noch zu langsam ging („Wollt Ihr denn Eure gesamte Freizeit vergammeln?!“) und an die anderen. Alle hatten eins gemeinsam: Wenn es los ging, waren sie da. Egal, worum es ging. Die Pfadfinderlosung „Allzeit bereit!“ war Teil ihrer selbst.

Ob das heute noch so ist? Wie entwickeln sich Menschen weiter? 35 Jahre sind ein halbes Menschenleben. Wo sind sie heute überhaupt? Ich wohne längst nicht mehr dort. Alle meine Verwandten sind weggezogen oder gestorben. Es gibt für mich keinen Grund mehr, dorthin zu fahren.

Ich tu´s trotzdem, laufe die alten Straßen ab, ärgere mich darüber, dass sich etwas verändert hat, finde Dinge wieder – natürlich: Die Kirche, das Pfarrheim, in dem wir uns immer getroffen haben. Ich stehe da und denke: Jetzt kommen sie gleich um die Ecke...

Soll ich ein Treffen organisieren, ein Rundschreiben losschicken? Nein, mache ich nicht. Die Illusion ist mehr wert als ein paar Standardfragen: Na, wie geht´s? Was machst Du? Bist Du verheiratet? Geschieden? Hast Du Kinder? Ein Haus?

2. Namibia

Ich bin dort auf einer Dienstreise mit ein paar Zusatztagen Freizeit, die ich für eine kurze Rundfahrt nutze. Ich sehe nicht viel, aber doch genug, um zu wissen: Hier fährst Du wieder hin. Zu Hause erzähle ich meinem Schwager Bernd (der damals auch Pfadfinder war) davon: Die Weite des Landes, die Würde der Natur, das Gefühl, nicht mehr auf unserem Planeten zu sein einerseits; andererseits nach wie vor Überreste der deutschen Kolonialzeit, die allgegenwärtige Erinnerung an einen Teil unserer eigenen Geschichte, mit dem die einheimische Bevölkerung auf eine rührend leichte und selbstverständliche Art umgeht. Die Erkenntnis, wie verdruckst unser eigenes Verhältnis zur Vergangenheit ist ...

Bernd brauche ich nicht lange zu überzeugen. Aber es vergeht etwa noch ein ganzes Jahr, bis wir im Landrover sitzen und durch die namibische Wüste fahren. Er ist fast noch begeisterter als ich. Als er anschließend versucht, Arbeitskollegen seine Eindrücke mitzuteilen und sie ihm antworten: „Hört sich gut an, aber Mallorca ist auch nicht übel“, sage ich ihm: „Sei froh! Wenn alle so empfinden würden wie Du und ich, wäre das Land im Nu nicht mehr das, was es ist.“

Ein weiteres Jahr später wieder Namibia mit Bernd. Diesmal mit Monika (meiner Schwester und Bernds Frau). Die langen Fahrten durch die allmählich sich verändernden Landschaften, die Ruhe, die Farben – es herrscht oft andächtiges und staunendes Schweigen im Auto. Ich denke an die alten Freunde. Wäre das nicht die Kulisse für ein gigantisches Geländespiel? Blödsinn! Wer will schon für verrückt gehalten werden?

Fort Namutoni. Die nördliche Grenze des damaligen deutschen Schutzgebietes. Am Tor eine Gedenktafel: „Am 28. Januar 1904 überfielen 500 Ovambo die Station Namutoni. Sieben tapfere deutsche Reiter wehrten ihren Angriff siegreich ab. Ehre ihren Namen. Uffz. Fritz Grossmann, Sanitätssergeant Bruno Lassmann, Gefr. d.R. Albert Lier usw.“ Sieben tapfere deutsche Reiter! Wäre es das nicht? Im Innenhof des Forts, das heute eine Gästelodge ist, sieben Zimmer mit den Namen der sieben Verteidiger. Im Turm des Forts ein kleines Museum: Es waren vier Soldaten und drei Farmer, die aus Angst vor Unruhen Schutz im Fort gesucht hatten, damals im Januar 1904. Angesichts des drohenden Angriffs wurden sie vom Leiter der Truppe, Uffz. Fritz Grossmann, kurzerhand zu Reservesoldaten gemacht. Einer von ihnen, Albert Lier, war zu allem Überfluss noch malariakrank. In der Nacht dann der Angriff. Chaos im Fort. Die Angreifer ziehen sich nach Stunden zurück, alle Verteidiger überleben und fliehen im Schutze der Nacht, den malariakranken Lier auf einer Trage mitschleppend – durch die Wüste, bei jedem Schritt in den Sand einsinkend, verfolgt von wilden Tieren. Am nächsten Tag werden sie von einer Patrouille aufgegriffen, die von einem Oberleutnant Richard Volkmann ausgesandt worden war, und – gerettet.

Was für eine Geschichte voller Verzweiflung, Freundschaft und Hoffnung. Man ist heilfroh, damals nicht gelebt zu haben. Bei Licht besehen: Der „Platz an der Sonne“, mit dem Bismarck seine Kolonialpolitik gerechtfertigt hat – nichts anderes als ein absurder Kampf ums eigene Überleben gegen einen Gegner, der nichts anderes tut als sich selbst zur Wehr  zu setzen. Vom Sanitätssergeanten Bruno Lassmann ist der Verzweiflungsschrei überliefert: „Ich will nicht töten! Ich will nicht sterben! Ich wollte doch Arzt werden!“ Später hat mir bei der Lektüre der Geschichte des Befreiungskrieges zwischen 1904 und 1908 eine andere Person besonderen Respekt abgenötigt:  „Morenga“ – einer der maßgebenden Häuptlinge. Dass er seine Gefangenen nicht getötet hat, ist bei seinen Leuten natürlich auf Unverständnis gestoßen. Trotzdem hat er seinen Kurs beibehalten. Er muss eine charismatische Figur gewesen sein.

Das Fort Namutoni, „Sieben tapfere deutsche Reiter“, sieben Zimmer! Wie viele Buchstaben hat „Namibia“? – all dies beginnt, in meinen Gedanken zu verschmelzen. Gelingt es mir, die Freunde hierher zu locken? Zumindest sieben von ihnen? Vielleicht ja, aber einfach so - das wäre viel zu banal. Und es wäre auch viel zu real. Bloß nicht eine Art Preisausschreiben nach dem Motto: „Sie haben eine zweiwöchige Reise nach Namibia gewonnen.“ Nein, sie müssen es sich verdienen. Ich will sie testen. Sie sollen eine Reise in die Vergangenheit machen – in die eigene und in die des früheren Deutsch-Südwestafrika, in das Jahr 1904. Das heißt: Sie dürfen weder wissen, wer dahintersteckt, noch was sie erwartet. Alles andere ist langweilig. Aber ist das vernünftig? Vergessen wir´s!

Wieder ist ein Jahr vergangen. Und wieder Namibia. Jetzt sind wir schon zu viert. Neu im Bunde ist Andrea, meine spätere Frau. Ist es ein Wunder, dass sie Namibia gleich in ihr Herz schließt? Sie ist schon beim ersten Mal verloren. Und als wir einmal mehr schweigend und ehrfürchtig durch das riesige Land fahren, sage ich plötzlich: „Ich habe da so eine Idee ...“

Monika, Bernd und vor allem Andrea sind spontan begeistert. Ich hatte Reaktionen erwartet wie: „Bist Du verrückt? Was das kostet! Hast Du nichts Besseres zu tun?“ oder so etwas ähnliches. Was kam, war: „Klar doch, wir machen mit! Wann geht´s los? Wie hast Du Dir das vorgestellt?“

3. Die Vorbereitungen

Nun, ich hatte mir noch gar nichts vorgestellt. Mehr als die Idee gab es nicht. Bei näherem Hinsehen: Die Umsetzung ist gar nicht so einfach. Womit fängt man an? Was muss ich den Freunden erklären? Als wer ich schreibe, war schnell entschieden: Als der längst verstorbene Gründer der Weltpfadfinderbewegung, Lord Robert Baden Powell of Gilwell, General seiner Majestät im Burenkrieg, dennoch aber Pazifist und mit einigen seiner gegnerischen Generäle später persönlich befreundet. Der Burengeneral Botha, der sogar zur Hochzeit von Baden Powell (B.-P.) mit Lady Olave Saint Clair eingeladen war, sagte in einem Toast: „Gnädige Frau, sie haben etwas geschafft, was mir Zeit meines Lebens verwehrt geblieben ist, nämlich B.-P. zu besiegen!“ Und an wen schreibe ich? - Der Zufall will es (oder ist es doch kein Zufall?), dass Axel und Ferdi gerade in dieser Situation eine Einladung zum Stammestreffen versenden, nachdem sie mit viel Mühe und Aufwand eine umfangreiche Adressenliste zusammengestellt haben. Es kommen 90 Personen. Ein voller Erfolg! Ich betrachte mir die vielen Leute und denke: „Wer soll es sein?“ Die Antwort fällt mir leichter als befürchtet. Um mein Alter herum und dann die sympathischsten. Schon waren sieben und eine „Ausfallreserve“ zusammen: Axel, Ferdi Fitti, Josti, Jürgen, Mike, Wolfgang, noch ein Wolfgang, H.-D. - und ich selbst.

So weit, so gut. Aber was schreibe ich denn? Ich verschiebe es von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Zudem arbeite ich gerade an einem Großprojekt, das mir kaum die Luft zum Atmen lässt. Eines Tages ein Anruf von Monika: „Weißt Du, wer am 8. Januar vor sechzig Jahren verstorben ist? Baden Powell. Wäre das nicht der richtige Startpunkt?“

Es ist der 4. Januar 2001. Andrea und ich überlegen und diskutieren fieberhaft. In vier Tagen muss der Brief abgeschickt werden, natürlich nicht von Berlin (da könnte ich mich ja gleich selbst als den Absender draufschreiben), sondern von London, wo B.-P. aufgewachsen ist. Also schreibe ich einen Brief, d.h. sieben Briefe und schicke sie einem englischen Kollegen, der in der Nähe von London wohnt und der sie dort genau am 8. Januar 2001 zur Post gibt.

4. Ein Jahr Anlaufzeit

Die Botschaft des ersten Briefes ist noch recht einfach: „Ich bin auf die Erde zurückgekommen. Bevor ich in genau einem Jahr wieder in die Ewigkeit entschwinde, sollst Du mich am 8. Januar 2002 persönlich kennen lernen. Ich werde Dich bis dahin auf eine harte Probe stellen. Du wirst Dinge erleben, die einem normalen Sterblichen verschlossen sind. Vertraue mir! Rede zu keinem Menschen außer zu Deiner Ehefrau hierüber! Halte Dich bereit! Du wirst bald wieder von mir hören.“

Keiner der Angeschriebenen konnte wissen, dass es noch weitere „Opfer“ gab. Hinterher erfahre ich, dass die Reaktionen entsprechend waren: verhalten bis misstrauisch. Kettenbrief? Will hier jemand Geld haben? Ein Ulk? - Weggeworfen hat den Brief allerdings niemand.

Ich stand unter Druck. Es gab kein fertiges Konzept. Was mache ich ein Jahr lang? Aufgaben erteilen, in die Irre führen, Dinge erraten lassen? Das erste war der Name ihres „Einsatzortes“ im Januar 2002. Ich musste meine Freunde natürlich möglichst bald damit konfrontieren. Sie würden sich Urlaub nehmen müssen, sich vorbereiten müssen (Impfungen etc.), ihre Ehefrauen müssten einverstanden sein usw.

Glücklicherweise hatte ich in Andrea eine geduldige und engagierte Gesprächspartnerin. Es verging kein Tag, an dem wir nicht über „das Spiel“ redeten. Wann muss was gemacht werden? Was kann man falsch machen? Wie verhindere ich, dass mir meine findigen Freunde irgendwann auf die Schliche kommen? Also der zweite Brief: „Finde Dich am ... um 19:15 Uhr vor dem Heim an der Kirche ein. Öffne den Umschlag in Deinem Brief erst dort!“ 

Ich bin natürlich viel zu früh an Ort und Stelle, gehe noch etwas spazieren. Muss ja nicht sein, dass ich der erste bin; vielleicht werde ich beobachtet. Um 19:15 bin ich wieder da. Welche Enttäuschung! Nur zwei von sechs sind da, ein weiterer kommt allerdings noch einige Minuten später. Ich versuche, gute Miene zu halten. „Habt Ihr auch so merkwürdige Briefe bekommen? Könnt Ihr Euch vorstellen, was das soll?“ -  „Egal, lasst uns die Umschläge aufmachen, vielleicht wissen wir dann mehr.“

Wieder ein Brief, mit jeweils einem Photo darauf. Der Text ist gleich, die Photos unterschiedlich. Also: Wir sollen den Namen unseres Einsatzortes erraten. Aus den Anfangsbuchstaben der sieben (?, wir sind doch nur vier) Bildmotive ergebe sich dessen Name. Die Bilder seien übrigens dort aufgenommen.

Wir sehen ein „Photo-Studio Behrens“ in einem Fachwerkhaus, einen steinernen Atlas auf einem Jugendstilhaus, ein Straßenschild „Moltke-Strasse“ (die ist doch um die Ecke!), eine Ferienpension mit dem Namen „Immenhof“ – offensichtlich Bilder aus der deutschen Provinz. „Kennt Ihr die?“ – „Nein, aber das wird sich ja wohl herausfinden lassen!“

Wir gehen noch zusammen etwas essen und reden uns die Köpfe heiß: „Wer steckt dahinter? Ist das seriös oder so eine Art Kaffeefahrt? Sollen wir überhaupt darauf eingehen?“ Einhellige Meinung: „Solange wir uns zu nichts verpflichten – was soll´s?“ Außerdem sind die Briefe auf handgeschöpftem Büttenpapier mit dem eingeprägten Goldsiegel der Pfadfinderlilie geschrieben; so viel Mühe würde sich ein „Gauner“ sicherlich nicht machen! Zumindest ist es spannend. Aussteigen können wir immer noch.

Meine Enttäuschung verfliegt langsam. Man muss es positiv sehen: Immerhin hat eine Quote von 50 % Feuer gefangen. Und man wusste ja nicht, ob die anderen schlicht verhindert waren. Absagen hätten sie ja nicht gekonnt, bei wem denn auch? Bis heute wusste ja keiner von den anderen. Aber wer sind denn die anderen? „Wir machen einen Rundruf!“ – „Halt! B.-P. hat doch geschrieben, dass wir keinem etwas sagen dürfen!“ Ich rieb mir innerlich die Hände. Die Spielregeln wurden bereits ernst genommen, obwohl man noch zögerte, sich auf das Ganze einzulassen. „Aber irgendwie muss es ja weitergehen! Wir brauchen die übrigen Bilder. Wie sollen wir sonst den Einsatzort erraten? Der Kerl hat uns auch noch eine Frist gesetzt!“

Der Rundruf förderte schnell die fehlenden Aspiranten zutage. Tatsächlich war unser guter alter H.-D. verhindert gewesen: Sanitätseinsatz im Stadion. Er war schon ganz verzweifelt, hatte das Spiel für sich schon als beendet betrachtet, bevor es richtig begonnen hatte. Große Erleichterung bei ihm und auch bei uns. Sein Bildmotiv: Eine „Adler-Apotheke“. Die übrigen zwei entpuppen sich tatsächlich als Fehlschläge: „Briefe aus London! Ich sag dem BND Bescheid!“, so der eine. Und der andere: „Ich hab´ keine Lust. Die Zeiten sind vorbei. Die sollen mich mal.“ Das also waren die Stimmen der Vernunft. Für mich: Umso besser, wenn sich die Dinge so früh aussortieren. Bei den anderen: Allgemeines Bedauern. Und: „Was sagt B.-P. dazu? Bläst er das Ganze ab?“

Aber immerhin: Die beiden „Abtrünnigen“ (so werden sie später von B.-P. genannt) überlassen uns ihre Briefe (ein Nashorn und das Konterfei von B.-P.). Wir hatten jetzt zumindest alle sieben Bildmotive zusammen. Doch alle denkbaren Lösungen hatten einen Haken. Stimmte das eine (einen Immenhof gibt es in Norddeutschland), war etwas anderes falsch. Endlich – die Frist lief aus – entschieden wir uns für „Bamberg“. Irgendetwas mussten wir ja antworten. Der Brief wurde schweren Herzens geschrieben, und dann mussten wir auch noch von den beiden Abtrünnigen berichten. B.-P.´s Anschrift war übrigens in einem der Briefe angegeben. Ich hatte die Anschrift meines englischen Kollegen gewählt, der natürlich über alles informiert war. Sie passte geradezu traumhaft: „Seven Oaks, Wilderness, Kent, England“. Manchmal gibt es richtig schöne Zufälle.

Wochen später die Antwort: „Bamberg ist falsch! Gebt Euch gefälligst etwas mehr Mühe!“ B.-P. spielt den Enttäuschten wegen der beiden „Abtrünnigen“, lobt uns aber gleichzeitig ob unserer Treue. „Wählt Euch selbst zwei Ersatzleute aus, schließlich müsst Ihr mit ihnen klarkommen. Aber denkt daran, der Einsatz wird hart! Die Leute müssen stehen! Eine Änderung wird dann nicht mehr zugelassen!“ Heiße Diskussionen: „Wer kommt infrage?“ Ich hatte Mühe, die sich aufbauende Stimmung zugunsten von Wolfgang wegzubringen, für den ich mir die Aufgabe des „Retters“ der „sieben Tapferen“ (Oberleutnant Richard Volkmann) ausgedacht hatte. Er würde zeitlich versetzt und allein nach Namibia reisen müssen, um dort überraschend den Weg der sieben zu kreuzen. Das kann man nicht jedem zumuten. Er durfte jetzt nicht ausgewählt werden. Wir einigten uns schließlich auf Stuki (der trägt immer noch seinen Schottenrock) und Mike. Die beiden hatten zwischenzeitlich natürlich schon von dem Spiel gehört und fühlten sich durch unsere Auswahl geradezu geadelt. Und noch jemand musste ausgetauscht werden: Josti, der bei einer Bank arbeitet, bekam Urlaubssperre – wegen der Euro-Umstellung. Schnell war Jürgen für ihn gefunden.

So, jetzt kam die Nagelprobe. Mit der Bekanntgabe des Einsatzortes konnte ich nicht länger warten. In ein unbekanntes Land in Afrika zu fahren, ohne zu wissen, was einen dort erwartet, begleitet nur von dunklen Ahnungen („Es wird nicht leicht werden!“), muss natürlich verdaut werden. Auch den Ehefrauen musste man Zeit geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen, ihre Männer auf ein ungewisses Abenteuer nach Afrika zu „entlassen“. Deshalb im nächsten Brief der „Wink mit dem Zaunpfahl“: Jedem war ein Schnipsel einer von Monika gemalten Landkarte beigefügt, auf dem einige deutsche Orts- und sonstige Bezeichnungen vermerkt waren (Spitzkoppe, Heinrichsberge, Marienthal, Maltahöhe, Hochfeld, Groß-Barmen usw.). In Verbindung mit den sieben Bildmotiven war die Antwort schnell gefunden und löste mehr als nur ungläubiges Erstaunen aus. „Wir korrespondieren mit einem Wahnsinnigen!“, war nur eine der Reaktionen.  Aber auch nüchterne, kalkulierende: „Was kostet denn so etwas? Der Flug, wir brauchen doch sicherlich ein Auto. Wo sollen wir denn übernachten? Wie sieht es überhaupt da aus? Was hat der mit uns vor?“ Und die ersten langen Gesichter: „Ich glaube, dann muss ich aussteigen; das kann ich mir nicht leisten.“

Ich musste reagieren und sie so schnell wie möglich wieder „einfangen“. Ich durfte nicht zulassen, dass sich eine negative oder auch nur zweifelnde bzw. ernüchternde Atmosphäre aufbaute. Das war mir klar: Das ganze Unternehmen hing von Stimmungen ab; bisher war ich mehr als zufrieden gewesen. Auch der „Schwund“ hatte mich weniger geärgert, als ich anfangs gedacht hatte. Immerhin war dadurch ja frühzeitig klargestellt, dass die Teilnehmer von „demselben Geist beseelt“ sein würden. Das durfte jetzt nicht kollektiv in Frage gestellt werden.

Also der nächste Brief, diesmal aus Kenia (wo sich das Grab von B.-P. befindet): „Ich habe einige Vermögenswerte versilbert, die ich in der Ewigkeit ohnehin nicht mehr brauche. Die Finanzierung Eures Einsatzes ist gesichert“. Gleichzeitig: „Übt das Südwesterlied ein und schickt mir ein Video davon. Stellt Euch darauf bitte auch namentlich vor! Ich kenne Euch bisher ja nicht persönlich.“ Und, um die Sache endgültig festzumachen: „Versammelt Euch bitte am ... um 21:00 Uhr um den Telefonanschluss mit der Nr. ... (das Telefon von Mike, an dem man die Nummer des Anrufers nicht erkennen kann). Ich werde Euch die Frage stellen: „Are you prepared to follow me?“ Und Ihr werdet antworten: “Yes Sir, I am!”

5. Jäger oder Gejagter?

Obwohl sich durch diesen Brief endgültig der Eindruck verfestigt hatte, es mit einem Verrückten zu tun zu haben: Alle waren „prepared to follow“. Und B.-P. (tatsächlich jemand mit original englischem Akzent; mein Kollege aus England, dem das Spiel zunehmend Spaß machte) antwortete bei jedem einzelnen: „Welcome to the project!“ Wir waren dabei!! Nur wobei wir dabei waren, wussten wir nicht. Steckte die Weltpfadfinderbewegung dahinter oder vielleicht die Deutsch-namibische Gesellschaft? „Kann nicht sein, der Kerl kennt uns zu gut. Woher weiß er zum Beispiel, dass Mike als einziger ein nicht-digitales Telefon hat? Es kann doch kein Zufall sein, dass ausgerechnet unser Rettungsassistent H.-D. von ihm zum Sanitätssergeanten ernannt worden ist. Das muss doch ´rauszukriegen sein!“

Für mich begann eine harte Zeit. Ich musste verhindern, dass ich selbst vom Jäger zum Gejagten wurde. Es durfte nicht sein, dass das Spiel unversehens die Wendung bekam, dass man unbedingt den Urheber herausbekommen muss. Ich musste sie deshalb einerseits beschäftigen und andererseits dumme Fragen abwehren, die sich so langsam breit machten. „Könnte es so eine Art „Agatha-Christie-Mörderspiel“ sein? Ist der Urheber vielleicht einer von uns?“ Und nach einer Art Rasterfahndung: „Welche Eigenschaften muss denn so einer haben? Woran erkennt man, dass einer verrückt ist? Jedenfalls muss er ja das nötige Kleingeld haben. Und solche Briefe zu schreiben, ist auch nicht jedermanns Sache.“

Jemand brachte, mir ausgesprochen entgegenkommend, Stuki und Wolfgang ins Spiel. Beide galten traditionell bei uns als etwas skurrile Burschen. Allein Stuki´s Schottenrock; keiner von uns hat ihn jemals in Hosen gesehen, von der Badehose einmal abgesehen. Außerdem hatte er sich mit einem Klaviertransportunternehmen ein kleines Vermögen verdient. Und er traf sich alle vierzehn Tage mit Wolfgang, wie sich jetzt herausstellte. Ziemlich verdächtig. Was machten die beiden dann immer? Was sonst als Spielchen aushecken?! Wolfgang als pensionierter Lehrer hatte zum einen genügend Zeit und zum anderen auch das Zeug dazu, sich solche Phantastereien zurechtzulegen.

Unangenehmerweise begann man, sich jetzt auch mit meinem Privatleben zu beschäftigen. „Sag mal, was machst Du eigentlich so? Warst Du schon mal in Namibia? Wo wohnst Du denn in Berlin?“, lauteten die unschuldigen Fangfragen. Später erfahre ich, dass man mich eine Zeitlang dringend als Urheber in Verdacht hatte, was durch Bemerkungen von mir genährt wurde wie: „Ich habe kein Auto; kann ich mir nicht leisten.“ Wenn einer so etwas mehrfach betont, dann will er damit das Gegenteil herunterargumentieren. Also, die Neurosen wucherten auf allen Seiten.

Eines Tages rief Josti mich an, der – obwohl offiziell bereits ausgeschieden – von dem Spiel nicht lassen konnte und bei allen Treffen dabei war. Er hatte über seine banktechnischen Nachforschungsmöglichkeiten herausgefunden, dass die B.-P.-Homepage, die ich (unvorsichtigerweise) zwischenzeitlich eingerichtet habe, auf eine Frau mit meiner Anschrift eingerichtet war (Andrea!!!). „Verdammt! Das war´s dann ja wohl!“, schoss es mir durch den Kopf. Jetzt haben sie mich. „Wer weiß denn sonst noch davon?“, frage ich vorsichtig. “Natürlich niemand! Ich bin doch kein Spielverderber.“ Von jetzt an war Josti mein U-Boot. Er teilte mir vieles mit von den Stimmungen, die ich dann in meinen Briefen auffangen konnte, obwohl ich doch eigentlich nichts wissen konnte.

Glücklicherweise tat mir dann Stuki den Gefallen, mit seiner Lebensgefährtin für zwei Wochen nach Namibia zu reisen (er war wohl neugierig geworden). Und zu allem Überfluss stellte sich heraus, dass auch Wolfgang im letzten Jahr zum ersten Mal in Namibia gewesen ist. Na also, da hatten wir sie doch. Was hatte ich gesagt? Stuki und Wolfgang, die sind´s! Zögernde Skepsis bei den anderen, aber immerhin wich der Druck etwas von mir. Jetzt aber war mir klar: Bloß keine Langeweile aufkommen lassen! Einige der Freunde trafen sich mittlerweile wöchentlich und diskutierten. Ich war nervös. Natürlich konnte ich von Berlin aus nicht jedes Mal dabei sein. Worüber mochten die so reden? Meine regelmäßigen Anrufe weckten zudem Misstrauen: Zu häufig! Was ist das richtige Maß zwischen Interesse und Nervosität?

6. Arbeit über Arbeit

Also ran! Die Kerle sollten mich kennen lernen. Die Reise musste vorbereitet werden. Aufgaben mussten verteilt werden. Ich verlegte meine Hochzeitsreise nach Namibia, um über die Originalschauplätze für das Spiel zu entscheiden. Bernd und Monika waren natürlich mit dabei, und – für eine Hochzeitsreise vielleicht etwas ungewöhnlich – meine Schwiegermutter und eine Schwägerin.

Natürlich musste das Fort Namutoni den Schauplatz für den Höhepunkt des Ganzen, die Enttarnung am 8. Januar 2002 abgeben. Und natürlich mussten die Freunde nach Swakopmund fahren, um die Bildmotive (Adler-Apotheke usw.) wiederzufinden. In der Nähe befindet sich eine alte Zollstation (Nonidas), die bewirtschaftet wird. Auch die „Mondlandschaft“ ist unverzichtbar und muss am besten gleich für den ersten Tag vorgesehen werden, um den Kulturschock zwischen der sog. Zivilisation und dem Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein, so richtig knallen zu lassen. Und wie wäre es, wenn B.-P. ihnen dort am ersten Abend im Lichte der untergehenden Sonne auf einem Hügel erschiene, um sie persönlich zu begrüßen, von weitem natürlich. Wo gibt es eine Stelle, die ihm trotz der Weite der Landschaft einen unbemerkten Fluchtweg offen lässt?

Vor der „Hochzeitsreise“ hatten wir bereits Arbeit verteilt: Jeder der Reiseteilnehmer war „Pate“ eines der „sieben Tapferen“ – außer mir selbst, versteht sich. Das hieß: Jeder musste sich in ein bestimmtes Thema zum Land einarbeiten und sich dazu jeweils sieben Fragen einfallen lassen: Die Geschichte des Landes, das Sanitätswesen der Schutztruppe, die verschiedenen namibischen Volksstämme, die Geographie, die Tier- und Pflanzenwelt usw. Nach unserer Rückkehr wurden dann sukzessive die Vorträge mit den entsprechenden Fragen zugewiesen und auch der Reihe nach abgearbeitet. Ich staunte: Vorträge in gebundenem Format oder auf CD-Rom, ein wahres Feuerwerk von Wissen und Begeisterung prasselte auf uns nieder. H.-D. würde später sagen: „So gut vorbereitet bin ich noch nie in einen Urlaub gefahren.“  

Natürlich durfte bei dem Ganzen auch der Spaß nicht zu kurz kommen. B.-P. hatte zum Beispiel angeordnet, dass Ferdi eine Sonderaufgabe zu erledigen hätte: Ein Abendessen für seine Kameraden nach Rezepten aus einem beigefügten „Südwester-Kochbuch“. Der Abend übertraf alle Erwartungen. Von Ferdi war uns in Aussicht gestellt worden, es würde zum Hauptgang gedünstete Puffotter serviert werden. Glücklicherweise war Puffotterfleisch weder bei Aldi noch im Afrikaladen zu haben, dafür aber Straußenfleisch, ein Straußenei (reicht für 20), ferner gab es Maisbrot – ein richtiger namibischer Abend. Wir bekamen einen kleinen Vorgeschmack auf die Dinge, die uns in unserem „Einsatzgebiet“ erwarten würden.

An dieser Stelle wird es Zeit, das Engagement der Frauen und Lebensgefährtinnen zu würdigen. Nicht nur, dass das Puffotteressen unter maßgeblicher Gestaltung von Ferdis Femi zustande gekommen war; auch die übrigen Frauen ließen es sich nicht nehmen, bei jedem Treffen dabei zu sein. Sie fieberten förmlich mit. Und wenn es nicht gerade „Puffotter“ zu essen gab, so wurde doch immer eine Art Party aus den Treffen. Die Truppe wuchs zusammen, die Zweifel wurden immer leiser, die Stimmung immer besser. Und wenn schon einmal die Bemerkung fiel: „Das darfst Du keinem erzählen! Stellt Euch vor, das Ganze ist ein Flop – dann sind wir die große Lachnummer!“, dann hieß es immer einhelliger: „Na wenn schon, wir haben doch ein großartiges Jahr! Allein das ist es wert!“

6. Besuche aus dem Jenseits

Es ist Oktober. In den letzten Monaten war die Aufregung nicht abgerissen. Die Spannung steigt ins Unerträgliche. Keine drei Monate mehr und wir wissen immer noch nichts Genaues. Da, wieder ein Brief: „Findet Euch bitte am 1. November vormittags im alten Pfarrheim ein. Ihr werdet Besuch bekommen!“

Wir treten natürlich vollzählig an. Um Punkt 12:00 Uhr erscheint mit dem Mittagsläuten ein dunkelhäutiger Pfadfinder und verlangt auf englisch, uns zu sprechen. Wir treten an, er ruft uns auf, übergibt dem „Uffz. Fritz Grossmann“ einen Brief mit der Bitte, ihn vorzulesen. In ihm wird verkündet, dass vor uns „Morenga“ stehe, dem mit größter Ehrerbietung zu begegnen sei. Er sei beispielhaft für die faire Behandlung seiner Gegner in den Kriegen zwischen 1904 und 1908 gewesen. Nachdem wir auf Morengas Bitte das Südwesterlied gesungen hatten, überreichte er jedem von uns einen Briefumschlag, den wir erst nach seinem Weggang zu öffnen hätten. Falls wir versuchen würden, in ihn zu dringen oder ihn zu verfolgen, sei das Projekt geplatzt. Morenga verschwand, wir öffneten fieberhaft die Umschläge: Die Tickets!! Es stimmt also tatsächlich! Doch mit leichtem Entsetzen mussten wir feststellen, dass wir nicht gemeinsam fliegen würden, sondern jeweils zu zweit bzw. Elmar sogar allein – russlanderfahren über Moskau und Harare nach Windhoek, die anderen über Zürich und Kapstadt, wieder andere über London und Johannesburg, und H.-D. und Stuki direkt von Frankfurt nach Windhoek.

Es wurde viel spekuliert über diese verschlungene Routenplanung: Der „11. September“? Mussten weitere Aufgaben auf den verschiedenen Wegen erfüllt werden? Der wahre Grund wurde von mir natürlich nicht verraten: Wie hätte ich denn gleichzeitig bereits in Namibia zur unmittelbaren Projektvorbereitung sein können und gleichzeitig gemeinsam mit allen anderen dorthin fliegen können? Also musste ich Verwirrung stiften, ablenken. Die Aufteilung in Kleinstgruppen („Sippen“) war für uns früher nichts Ungewöhnliches gewesen. Das bot mir die Möglichkeit, mich zu separieren und so zu tun, als würde ich von Berlin allein fliegen müssen. Die Freunde waren zu dem Zeitpunkt bereits derart aufgedreht, dass sie dies alles nicht mehr durchschauten.

Jetzt war es also wahr: Wir fliegen! Aber: „Sind die Tickets echt?“ H.-D. geht in ein Reisebüro: „Ja, kein Problem.“ Ausgestellt von American Express. Ein Anruf: „Wer ist der Auftraggeber?“ Nach einer kurzen Pause: „Tut mir leid. Sperrvermerk!“ Alle beschließen: „Wir lassen das jetzt mit den Nachforschungen, die Tickets sind echt, was wollen wir mehr.“

Die nächsten Wochen vergehen wie im Fluge. Bereits am 2. Januar 2002 soll die erste Sippe losfliegen; die anderen am nächsten Tag. Hoffentlich geht das gut: Am 4. Januar alle in Windhoek und nicht zu wissen, wie es weitergeht!?

Dann die Nachricht von Baden-Powell: Sein Bruder, ein General Baden Baden-Powell wird uns am 15. Dezember um genau 21:00 Uhr bei Axel (alias Gefreiter Richard Lemke) besuchen, „um die letzten Instruktionen zu erteilen.“ Wer soll das denn sein? Elmar, der einen Vortrag über B.-P.´s Leben zu halten hatte, blättert in seinen schlauen Büchern: Tatsächlich! Einer von B.-P.´s drei Brüdern war General und hieß Baden Baden-Powell, der Welt aber angeblich besser bekannt als Ballonkonstrukteur und –fahrer.

An diesem Freitagabend stehen wir also um kurz vor 21:00 Uhr Spalier vor Axels Haus. In der Siedlung herrscht vorweihnachtliche Ruhe; nichts bewegt sich. Als um exakt 21:00 Uhr eine große schwarze Limousine um die Ecke schwebt und genau vor Axels Haus hält, erreicht die Spannung ihren Siedepunkt. Der Chauffeur springt aus dem Wagen, reißt die Türen auf und heraus steigt ein älterer Herr im Gehrock, der seinerseits einer eleganten Dame heraushilft, die gekleidet ist wie zur Zeit der Jahrhundertwende 1900. Der Herr bietet der Dame seinen Arm an, um sich erst dann seinen Zylinder aufzusetzen. Uns bleibt der Mund offen stehen. Stuki stimmt bewegt das Südwesterlied an. Ich kann meine Miene nur mit Mühe im Zaum halten: Andrea und mein Freund und Kollege Wilfried, der im Laufe der letzten Monate „Feuer gefangen“ hatte, sehen tatsächlich aus, als seien sie einer anderen Epoche entstiegen, als sie unser Ehrenspalier abschreiten.

Im Haus angekommen, werden wir gebeten, uns aufzustellen. Der „General“, wie B.-P.´s Bruder ab sofort von uns genannt wird, hält die folgende Ansprache:

((Anmerkung: Der nachfolgende Text sind die Original-Regieanweisungen))

 1.        Vorstellung

 Meine Herren, mein Bruder, Lord Robert Baden-Powell of Gilwell, hat Euch meinen Besuch angekündigt. Mein Name ist – wie Ihr wisst – Baden Baden-Powell. Mein Bruder hat mich gebeten, Euch die letzten Instruktionen für Euren Einsatz im Deutschen Pfadfinder-Schutzgebiet zu erteilen.

Neben mir steht die Gattin meines Bruders, Olave St. Clair Baden-Powell.

Anders als ich ist meine Schwägerin der deutschen Sprache nicht mächtig. Sie kann Euch also nicht verstehen. Im übrigen gebietet es der Comment ohnehin, dass man eine Dame nicht unaufgefordert anspricht – in welcher Sprache auch immer! Verhaltet Euch bitte dementsprechend!

2.       Appell/Suedwesterlied

Bevor ich Euch eine Message meines Bruders verlesen und Euch anschließend noch einige Instruktionen erteilen werde, werde ich Euch nacheinander aufrufen. Stellt Euch bitte in einer Reihe vor mir auf.

Sippe Falke:  -        Unteroffizier Fritz Grossmann

_        Sanitaetssergeant Bruno Lassmann

 

Sippe Panther:

_        Gefreiter Richard Lemke

_        Gefreiter Albert Lier

 

Sippe Schwalbe:

_        Unteroffizier d.R. Jakob Basendowski

_        Gefreiter d.R. Franz Becker

_        Gefreiter d.R. Karl Hartmann

 Singt nun bitte alle drei Strophen des Suedwesterliedes. Lady Baden-Powell und ich werden anschliessend berichten müssen, wie es geklungen hat. Mein Bruder war etwas indigniert, beim letzten Mal von Morenga erfahren zu müssen, dass Ihr den Text des Liedes abgelesen habt. Hoffentlich klappt es diesmal besser.

Also bitte ...

(Suedwesterlied)

Sehr gut, ich werde das an meinen Bruder weitergeben.

Lady Olave: Yes, very brave, indeed! 3.       Message from Lord Baden-Powell

 

So, und nun die Message meines Bruders an Euch:

 „Meine lieben Pfadfinder-Brüder,

 als ich Euch am 8. Januar dieses Jahres – meinem 60. Todestag - zum ersten Mal geschrieben habe, wusstet weder Ihr noch ich, worauf wir uns einlassen wuerden. Ich hatte Euch damals geschrieben, dass ich fuer ein Jahr auf die Erde zurückkommen wuerde, um zu sehen, ob die alten Pfadfindertugenden nach wie vor lebendig sind.

Ich habe Euch in diesem Jahr auf eine harte Probe gestellt. An Euren Einsatzwillen und Eure Gefolgsbereitschaft sind hohe Anforderungen gestellt worden. Ich muss wirklich anerkennend sagen: Ihr habt die Probe bestanden.

 _        Ihr habt Euch von mir in das Jahr 1903 zurückführen lassen.

_        Ihr habt Euch - ohne zu wissen, worum es geht – bedingungslos auf Euren Einsatz eingelassen.

_        Ihr habt Eure vielen Aufgaben und Aufträge hervorragend gelöst. Nachdem die Punktezahl sich zunächst nicht vom Boden lösen wollte, seid Ihr dann weit über die erforderliche Punktezahl von 100 emporgeschnellt und könnt jetzt auf die stolze Marke von 150 verweisen.

_        Ihr habt Euch mit der Geschichte Eures Einsatzgebietes und der Rolle Eures eigenen Landes befasst und habt gelernt, dass nur derjenige, der seine eigene Vergangenheit nicht verleugnet, in der Lage ist, Gegenwart und Zukunft verantwortungsvoll zu meistern.

_        Ihr werdet zu Beginn Eures Schicksalsjahres 1904 in Euer Einsatzgebiet reisen und an die Tradition Eurer sieben Namensvettern anknüpfen, die da lautet: Niemals aufgeben! Allzeit bereit!

hr habt auf eine großartige Weise bewiesen, dass der alte Pfadfindergeist noch lebendig ist. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass Ihr auch die Anforderungen meistern werdet, die im Einsatzgebiet auf Euch zukommen werden. Ich wuensche Euch viel Erfolg und freue mich darauf, Euch am 8. Januar im Fort Namutoni persoenlich kennenzulernen.

 Euer Freund,

                    Robert Baden-Powell of Gilwell“

  4.       Zu Lady Olave St. Clair Baden-Powell

Wie Euch wahrscheinlich bekannt ist, ist auch die Gattin meines Bruders Eurer Idee sehr verbunden. Immerhin hat sie die Weltpfadfinderinnen-Bewegung gegruendet. 

Evtl.: Weitere Einzelheiten zu Olave.

Mein Bruder und sie haben lange Jahre gluecklich zusammengelebt, obwohl zwischen ihnen ein Altersunterschied von mehr als 30 Jahren bestand. Das Schicksal wollte es allerdings, dass beide am selben Tag Geburtstag haben, naemlich am 22. Februar. Lady Olave gibt sich nunmehr die Ehre, Euch und Eure Frauen auch im Namen ihres Gatten zu ihrer beidem Geburtstag im kommenden Jahr einzuladen.

Tretet bitte der Reihe nach vor sie und nehmt von ihr Eure Einladung entgegen.

(Olave händigt die Einladungen aus)  

 5.       Instruktionen

 Nun zu den angekündigten Instruktionen. Bitte notiert folgendes:

  
 _         Ihr müsst während des Einsatzes als Pfadfinder erkennbar sein, d.h. entweder Kluft oder ein anderes   Erkennungsmerkmal tragen.

_        Wegen der starken Hitze im Einsatzgebietes empfiehlt es sich, einen Pfadfinderhut aufzusetzen.

_        Nehmt bitte auch einen Satz zivile Kleidung mit.

_        Das Gepäck ist entweder in einem Rucksack oder in einer Reisetasche zu verstauen.

_        Einer von Euch muss einen Kompass und eine entsprechende Karte bei sich fuehren.

_        Die sieben Briefe mit den sieben Motiven, aus deren Anfangsbuchstaben sich der Name Eures Einsatzgebietes ergibt, sind mitzunehmen und ständig am Mann zu tragen.

_        Ich bin mit meinen Leuten im Einsatzgebiet stets in Eurer Naehe. Es kann Euch deshalb nichts passieren.

_           Den von meinen Leuten erteilten Anweisungen ist unbedingt Folge zu leisten. Sie duerfen von Euch keinesfalls unter Druck gesetzt werden.

 6.       Verabschiedung

Olave und ich werden Euch nun im Namen von Lord Robert Baden-Powell in das Projekt verabschieden. Nennt bitte jeweils Euern Namen und Dienstgrad, damit ich Euch den Pfadfindergruß entbieten kann. Olave wird Euch die Hand zum Handkuss reichen. Das ist heutzutage (1903) ueblich. 

(Baden geht die Reihe entlang und entbietet jedem von ihnen den Pfadfindergruß: „Gut Pfad!“, gefolgt von Olave).

Baden, zu den Ehefrauen gewendet: Meine Damen, Ihnen meine Verehrung. Mein Bruder dankt Ihnen, dass Sie Ihre Ehemaenner von Anfang an in ihrem Entschluss gestaerkt haben, sich dem Projekt zu stellen. Ich kann Ihnen versichern: Seien Sie unbesorgt! Sie werden sie am 14. Januar unversehrt wieder in die Arme schliessen können.

Gut Pfad! 

Was für eine Vorstellung! Welcher Glanz! Wir waren beeindruckt. 

Ich selbst gab mir Mühe, ruhig zu bleiben. Natürlich wollte ich meiner Andrea möglichst bald von ihrem Erfolg berichten, aber ein, zwei Stunden musste ich ja wohl noch bleiben. Ich verabschiedete mich bald, wir wünschten uns gegenseitig eine gute Reise. „Bis zum 4. Januar in Windhoek!“

7. Showdown im „Einsatzgebiet“

Für mein Vorbereitungsteam (Andrea, ihre Schwester Kathi, Moni und ihre Freundin Gabi, Bernd) und mich brach eine aufregende Zeit heran. Gleich nach Weihnachten ging es ab nach Namibia. Ich musste immer im Schatten gehen und mich, soweit möglich, bedecken. Ich durfte doch nicht bereits gebräunt sein, wenn ich die anderen am 4. Januar treffen würde. Sylvester feierten wir in Swakopmund. Ansonsten Vorbereitungen: Stimmt der Zeitplan? Wir fuhren alle Strecken ab. Wann geht in der Mondlandschaft die Sonne unter? Die „sieben Tapferen“ durften doch nicht zu spät oder gar zu früh dorthin beordert werden. Wird in der alten Zollstation Nonidas abends Essen serviert? Darf die Pfadfinderflagge auf Nonidas und im Fort Namutoni gehisst werden? Geht das mit der Übernachtung in der alten Polizeistation mitten im Busch klar? Usw., usw.

Am 4. Januar 2002 stand das gesamte Vorbereitungsteam morgens am Flughafen Windhoek International. Der „General“ (Wilfried) und seine Frau (Ulrike) mussten von uns abgeholt werden, aber auch Stuki und H.-D. waren auf dem Flieger. Entgegen unserer Erwartung war der „General“ nicht erkannt worden. Da Stuki und H.-D. noch auf andere Kameraden warten mussten, konnten wir mit den beiden Legats – von Stuki und H.-D. unbemerkt - in die Stadt fahren und sie auf den neuesten Stand bringen. Ich selbst begab mich gegen Mittag zum Stadtflughafen Eros, auf dem ich angeblich um 10:00 aus Harare hätte ankommen sollen. Es klappte wie am Schnürchen. Um 1:30 Uhr waren wir vollständig, hatten ein Auto, unsere ersten Anweisungen und ab ging es anhand einer gemalten Landkarte in Richtung „Mondlandschaft“.

Mir blieb fast das Herz stehen, als Mike – der Fahrer an diesem ersten Tag – plötzlich wegen einer Herde kreuzender Affen abbremste und es von hinten krachte. „Na, das war´s ja dann wohl! Nach zwei Stunden Namibia das ganze Spiel geschmissen“, sagte ich nicht, aber ich dachte es, als ich aus dem Auto stieg. Den anderen kam meine Freude etwas merkwürdig vor, als ich sah, dass bei uns nur die Stoßstange verbogen war, wenn auch das aufgefahrene Auto ziemlich wüst aussah. Das Theater kostete uns mehr als zwei Stunden und ich beschloss, den Gedanken an eine zunächst eingeplante Kaffeepause nicht weiterzuverfolgen. Dafür setzte ich mich jetzt selbst ans Steuer. So könnte ich die Zeit besser im Griff behalten.

Also, dann weiter. Der Rest der Fahrt verlief planmäßig. Wir waren pünktlich in der „Mondlandschaft“ und fuhren kilometerweit durch eine Gegend, die diesen Namen völlig zu Recht trägt. Das ist nicht mehr unsere gute alte Erde. Wo sind wir hier? Steine, Felsen, bizarre Gesteinsformationen bis zum Horizont. Uns wird es unheimlich zumute: „Wenn jetzt der Motor ausfällt!“ – „Gibt es hier überhaupt irgendein menschliches Wesen?“ Urplötzlich taucht nach einer Straßenbiegung die Oase „Goanikontes“ auf und wir finden auch schnell das auf der Karte eingezeichnete Haus. Unter der Türschwelle die Nachricht: „Fahrt noch genau einen Kilometer, lasst dort das Auto stehen, und geht den Rest bis zu einem Verkehrsschild zu Fuß! Dort müsst Ihr um genau 19:20 Uhr eintreffen.“ Das Auto stehen lassen? Zu Fuß? Und was ist an dem Verkehrsschild los? „Wenn das Auto nachher verschwunden ist...!! Das kannst Du doch keinem erzählen, dass Du Dein Auto auf Anordnung eines Unbekannten inmitten einer gottverlassenen Landschaft, die ihresgleichen auf diesem Planeten sucht, stehen lässt!“ Wir waren aber derart gespannt, dass alle Bedenken beiseitegeschoben wurden: „Wird schon gut gehen!“ Und einer sarkastisch: „Wenn es nicht gut geht, werden wir sowieso keine Gelegenheit mehr haben, irgendetwas weiterzuerzählen!“   

Kurz vor 19:20 Uhr trafen wir tatsächlich auf ein Verkehrsschild – mitten in einer Gesteinswüste. Bevor wir die dort eingeklemmte nächste Nachricht, wohin wir uns jetzt zu begeben hätten, zu Ende lesen konnten, rief Axel (Gefreiter d.R. Richard Lemke) plötzlich aufgeregt: „Da, seht mal! Da steht einer!“ Auf einem der Hügel, genau in Richtung der untergehenden Sonne, stand eine Gestalt in Pfadfinderkluft und hatte die Hand zum Pfadfindergruß erhoben. „Wer ist das? Gib ´mal das Fernglas, vielleicht kann ich ihn erkennen. Verdammt, der Kerl steht genau gegen die Sonne!“ Während wir noch diskutierten, ob wir zu ihm hingehen sollten, rief er plötzlich: „Bleibt stehen! Ich begrüße Euch im Jahr 1904!“ Danach rief er einzeln unsere Namen auf und verschwand wie ein Schattenriss, langsam rückwärts gehend, hinter dem Felsen. Eine unheimliche Erscheinung. Stuki wollte hinterher: „Den greife ich mir!“, wurde aber von uns zurückgehalten: „Bleib´ hier! Die Sonne ist gleich weg und wir wissen noch nicht einmal, wo wir hier in dieser verdammten Gegend übernachten sollen!“ Eine fieberhafte Aktivität begann: „Was steht in dem Brief? Eine alte Zollstation? Wie kommen wir dahin? Los Leute, zurück zum Auto, hoffentlich steht das noch da!“ Es stand noch da. Nichts wie hinein und zurück auf die Straße, wo die alte Zollstation Nonidas liegen musste. Zwischenzeitlich war es stockdunkel geworden. „Was für ein Tag! Wenn ich bedenke, dass ich vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden noch in Frankfurt war!“ Die alte Zollstation soll zwar nicht direkt an der Straße liegen, aber von ihr aus gut zu sehen sein. „Wie denn? Es ist doch dunkel!“ Genau an der Stelle, wo wir sie laut Karte sehen können sollen, erscheint links auf einer kleinen Anhöhe eine kleine Festung, weiß gestrichen und angestrahlt, wie eine Fata Morgana. „Das muss sie sein!“ Wir werden tatsächlich erwartet: von dem einzigen Bediensteten in der ganzen Anlage, einem blondgefärbten Ovambo. Und wir sind die einzigen Gäste. Etwas unheimlich. Immerhin, er zeigt uns die Zimmer und bittet uns dann in den Speisesaal. Ein Abendessen wie im Schlaraffenland, jedenfalls kam es uns nach diesem Tag so vor. Während des Abendessens betritt plötzlich ein blonder weiblicher Scout (Ulrike) den Raum, verlangt herrisch den Uffz. Fritz Grossmann und überreicht ihm einen Brief: Die Anweisungen für den nächsten Tag. 

Siehe für die nächsten Tage das „Tagebuch“. Es enthält die Original-Eindrücke. 

((Abschließend die Original-Regieanweisungen für die „Turmszene“, d. h. die entscheidende Szene im Fort Namutoni am 8. Januar 2002))

8. Januar 1904

Nach Sonnenuntergang:

 MH, GB und AG begeben sich auf den Turm (DPSG-Flagge, Fackeln, MH und GB: Bemalung, AG: Kluft, Hut)

KS, WL und UL stellen sich im Hof des Forts auf (WL eingerahmt von KS und UL, die Fackeln tragen) 

     Appell durch WL:

          (laut)

Achtung! Achtung! Hier spricht Baden Baden-Powell. Ich rufe die Verteidiger des "Fort Namutoni". Bitte heraustreten:

               Fritz Grossmann

               Bruno Lassmann

               Albert Lier

               Richard Lemke

               Jakob Basendowski

               Franz Becker

               Karl Hartmann

            In einer Reihe gegenüber Euch aufstellen lassen. 

            KS (getragen):

 „Es ist heiß am 28. Januar 1904, genau wie heute. Im Fort wird seit Tagen ein Angriff der Ovambo erwartet. Jede Nacht stehen zwei Mann Wache, zwei von sieben. Der Verteidigungsplan steht. Dann werden südlich der Station, am Wasserloch, Ovambo gesichtet. Bald ist alles schwarz vor Kriegern. Um 11:== Uhr morgens beginnen die Ovambo ihre Kriegstänze zwischen den Büschen. Im Fort wird diese ausweglose Situation verdrängt. Man spart Kräfet, trinkt Bier und singt ein Lied („ich weiß nicht, was soll es bedeuten...“). Dan ein einzelner Schrei und eine Pulverdampfwolke – der Angriff. Die Verteidiger erwidern mit einem mörderischen Feuer. Viele Krieger ließen ihr Leben – darunter alle Häuptlinge. Über Stunden herrschen Panik und Chaos. Plötzlich ein Kommandoschrei – und wie von Geisterhand geführt, flüchten plötzlich alle Angreifer. Die Munition ist knapp geworden. Kurz vor Sonnenaufgang flüchten die sieben Verteidiger nach Sandhup, der mittlerweile niedergebrannten Farm von Basendowski. Eine Patrouille der Schutztruppe, geführt von Oberleutnant Volkmann, trifft durch Zufall auf die Farm und rettet die Geflüchteten am folgenden Tag. Das Fort wird an diesem Tag von den zurückgekehrten Ovambo bis auf die Grundmauern zerstört.“

            WL:

          "Meine Herren, deutsche Kameraden,

 die Stunde Eurer Bewaehrung ist gekommen. In wenigen Augenblicken sollt Ihr meinen Bruder - Lord Robert Baden-Powell - persönlich kennenlernen. Doch bevor dies geschieht, zunächst der Appell. Wenn Euer Name aufgerufen wird, antwortet bitte laut und vernehmlich: Hier!"

((Text der Gedenktafel:))

„Am 28. Januar 1904 überfielen 500 Ovambo die Station Namutoni. 7 tapfere deutsche Reiter wehrten ihren Angriff siegreich ab. Ehre ihren Namen!

          Unteroffizier Fritz Grossmann

          Sanitätssergeant Bruno Lassmann

          Gefreiter Richard Lemke

          Gefreiter Albert Lier

          Unteroffizier der Reserve Jakob Basendowski

          Gefreiter der Reserve Franz Becker

          Gefreiter der Reserve Karl Hartmann“

UL (laut, militärisch):

„Meine Herren, Sie werden sich jetzt der Reihe nach auf den Turm begeben, wo Sie Lord Robert Baden-Powell persönlich kennenlernen werden.“

(winkt sie der Reihe nach mit einem Abstand von jeweils etwa 20 Sekunden weg)

Auf dem Turm werden die sieben von MG und GB in Empfang genommen (AG mit dem Rücken zu ihnen gewandt). MH/GB plazieren die sieben im Halbkreis mit dem Gesicht in die Landschaft  (here, please stand here! Turn around! Be quiet! Silence please! etc.).

 Inzwischen sind auch WL, UL und KS auf dem Turm angelangt. 

 WL:  "Meine Herren, sie dürfen sich jetzt umdrehen. Die Zeremonie beginnt."

Nachdem die sieben sich umgedreht und sich etwas an die Szenerie gewöhnt haben:

AG dreht sich langsam um.

WL:  "Meine Herren, ich sehe Sie überrascht. Dabei dürfte Ihnen die Gattin meines Bruders doch längst vertraut sein. Selbstverständlich lässt sie es sich nicht nehmen, Euch Ihren Mann persönlich vorzustellen. Doch bevor sie dies tut, hat sie noch eine Botschaft für Euch. Da sie - wie Ihr wisst - das Deutsche nicht beherrscht, hat sie mich gebeten, dies zu übernehmen.                

Hier die Botschaft von Lord Robert Baden-Powell:

„Meine lieben Pfadfinder-Brüder,

es ist jetzt genau ein Jahr her, dass ich auf die Erde zurückgekehrt bin. Meinen ersten Brief an Euch habe ich genau am 8. Januar 2001 - meinem 60. Todestag - an Euch abgesandt. Ihr habt ihn damals sicherlich nicht recht ernst genommen. Anders als die beiden Abtrünnigen habt Ihr Euch jedoch ohne Wenn und Aber auf das Projekt eingelassen. Ihr habt nicht eine Minute gewankt, sondern die Euch gestellten Aufgaben und Aufträge mit Eifer und Akribie erfüllt.

Ihr habt damit bewiesen, dass die alten Pfadfindertugenden noch existieren. Ihr habt gezeigt, dass für Euch auch nach mehr als 35 Jahren noch gilt: Allzeit bereit! Hierfür meinen Dank und meine Anerkennung.

Die Verteidigung des Forts Namutoni ist ein Symbol für Eure Einstellung. Sie ist ein Beleg dafür, dass man einen Kampf niemals aufgibt, und wenn die Übermacht noch so erdrückend und der Ausgang noch so ungewiss ist. Nehmt deshalb bitte aus den Händen meiner Gattin Olave die wohlverdiente Urkunde entgegen."

AG übergibt die Urkunden der Reihe nach. Bei Richard Lemke muss von WL erwähnt werden, dass er heute Geburtstag hat.

WL: Meine Herren, es ist zur Gewohnheit geworden, dass das Südwesterlied gesungen wird. Singt bitte jetzt die erste Strophe. Anschließend werden wir gemeinsam und schweigend auf B.-P. warten.  

Südwesterlied (1. Strophe)  

AG: Silence, please.

Nach etwa einer Minute:

BH (Kluft, Maske, Hut) kommt langsam und stampfend die Treppe hoch (tap - tap - tap). Oben angekommen, geht er zu jedem einzelnen hin und entbietet ihm den Pfadfindergruß. Danach stellt er sich neben Lady Olave.   

BH beginnt, sich seine Maske herunterzuziehen

Gleichzeitig AG:

 „Gentlemen, in real life - the name of my husband - is – Elmar Giemulla.”         

Der Rest kann von der Phantasie nicht überboten werden. Zunächst Schweigen. Hat man richtig gehört? Elmar steht doch mitten zwischen uns! Wer ist denn dieser Maskierte? Und wer ist eigentlich Lady Olave, wer der „General“? Wer die beiden Scouts? Wer die Negerinnen? Alles Fremde. Was hat Lady Olave gesagt? Elmar Giemulla? Das passt doch alles nicht zusammen! 

Doch als dann Elmar einen Schritt vortritt und seine Andrea (Lady Olave) umarmt, bricht ein unbeschreibliches Chaos aus. Die Spannung eines ganzen Jahres fällt plötzlich ab. Ferdi fragt: „Wem haben wir das denn nun eigentlich zu verdanken?“ Als Elmar auf Andrea zeigt, fällt ihr Ferdi in die Arme und lässt sie lange nicht los. Und H.-D. ganz glücklich zu Andrea: „Du sprichst ja deutsch!“ Axel zu Bernd (dem maskierten B.-P.-Double): „Wer bist Du denn?“ - „Na, der Bernd!“ – „Kenne ich nicht!“ Und nach einem kurzen misstrauischen Blick: „Ach Du!! Sag das doch gleich!“ Und zu den beiden Negerinnen: „Mensch, das sind ja Weiße!“ Elmars Schwester! Und Gabi! „Da haben wir uns so lange nicht gesehen und dann treffen wir Euch hier oben wieder!“ 

Die Überraschung war gelungen, die Freude riesengroß. Wir haben es geschafft. Wir, das sind die „sieben Tapferen“, die ein Jahr lang durchgehalten haben, die sich auf das Abenteuer eingelassen haben, das Unbekannte, ohne zu wissen was und wer dahintersteckt. Wir, das ist aber auch das Organisationsteam, das ebenfalls ein Jahr lang auf der Flucht vor Entdeckungen war, in den letzten Tagen stets eine Nasenlänge voraus, nichts durfte schief gehen, der kleinste Fehler wäre womöglich das Ende gewesen.

Der Abend wurde noch lang. So viel gab es zu erzählen. Und immer wieder: „Ach, jetzt verstehe ich das erst!“ oder: „Elmar, Du Halunke!“ oder: „Hab ich´s nicht gewusst?! Kam mir doch gleich so komisch vor!“ Alle mussten aber zugeben, dass sie ihren Verdacht gegen mich schon seit längerem aufgegeben hatten und besonders zum Schluss fest davon ausgingen, dass ich nicht dahintersteckte.  

So ging dieser Tag, dem wir seit genau einem Jahr entgegengefiebert hatten, glücklich zu Ende; blieb nur noch, den Frauen daheim Bescheid zu sagen, doch: Die waren schon informiert. Nachdem die seit Monaten rückwärts laufende Zähluhr abgelaufen war, erschien auf der Homepage ein Telegramm: „Fort Namutoni erfolgreich gehalten. Alle sieben tapferen deutschen Reiter wohlauf. Werden im Morgengrauen in Richtung Grootfontein fliehen. Lady und Lord Baden Powell of Gilwell (Andrea und Elmar Giemulla).“  

8. „Rettung“ und Neubeginn  

Der nächste Morgen begann wie nach einem Traum, doch wurden wir von der Realität – in Gestalt von Elmar – aufgeschreckt: „Schnell, wir müssen weiter. Die Ovambo könnten zurückkommen!“ Alle hielten es für einen Scherz, fügten sich aber schnell, und ab ging´s in Richtung Tsumeb zu dem dort vor 80.000 Jahren herunter gekommenen riesigen Hoba-Meteoriten. Groß war das Geschrei, als dort plötzlich Wolfgang aufkreuzte und sich als unser „Retter“ Oberleutnant Richard Volkmann vorstellte. „Hört dieses Spiel denn nie mehr auf?“

Wolfgang war – ebenfalls ohne zu wissen, was ihn erwartete – die ganze Nacht von Frankfurt nach Windhoek geflogen, hatte dort morgens ein Auto in Empfang genommen und war die 500 km zum Hoba-Meteorit gerast, wo er genau 10 Minuten vor uns eingetroffen war. Mörderisch! „Na, wenn es denn der Rettung der Kameraden dient ...“   

Abends „Immenhof – durch die ein Jahr dauernde Fixierung auf die Bildmotive ebenfalls so eine Art Mekka für die Beteiligten. Nachdem Wolfgang seinen fälligen Vortrag über Namutoni und seine Verteidiger gehalten hat, spielen wir ihm aus Jux noch einmal die „Turmszene“ vor. Jetzt erst begreift er ...  

Als wir gerade zu Bett gehen wollen, erscheint der Besitzer vom „Immenhof“ und fragt nach mir. Ein „Lord Robert Baden-Powell“ habe einen Brief für mich abgegeben (in Wirklichkeit war er tagsüber heimlich von meinen Freunden geschrieben worden). Ich lese laut vor: 

„Mein lieber Nachfolger, seit einem Jahr verfolge ich Deine Aktivitaeten. Zuerst empfand ich sie als ziemlich anmassend und provokant. Was Du naemlich nicht weisst, ist, dass ich als prominenter Verstorbener die Moeglichkeit habe, u. a. auch Dich zu beobachten.

Ich muss gestehen, dass ich im Laufe des letzten Jahres immer mehr Gefallen an Deiner Idee, Deinen Zielen und der imponierenden Durchfuehrung derselben fand. Mit Vergnügen habe ich gesehen, wie Du in Deiner Umgebung einer Atmosphaere von echtem Pfadfindergeist aufgebaut hast und ueber einen langen Zeitraum immer wieder zu steigern wusstest. Es hat mich begeistert, wie mir -

und damit eigentlich Dir - die Herzen Deiner Kameraden zugeflogen sind.

Du hast den Erfolg wahrhaftig verdient, den Du in meinem Namen erzielt hast. Und ich bin sicher, dass Du weit mehr erreicht hast, als nur eine schoene Zeit fuer alle Beteiligten. Ich denke, die Wirkung dieser Aktion wird noch lange anhalten und weitere Fruechte tragen. Auch glaube ich fest daran, dass die sieben tapferen 'deutschen Reiter' Deine Ideen weitertragen werden.

Ebenso gewiss scheint mir, dass Euere, von Dir neu initiierte Freundschaft von langer Dauer sein wird.

All dies ist genau das, was ich mir immer für die Zukunft der von mir gegruendeten Bewegung gewuenscht habe.

Du und 'Lady Olave' habt Euch meiner in grossartiger Weise wuerdig erwiesen.

Dafür danke ich Euch von Herzen.

Das 'Spiel' beginnt eigentlich - erst jetzt!

Gut Pfad!

 Lord Robert Baden-Powell of Gilwell”